Erzählung vom "Senior Chef" Tischlermeister Adam Sieberer:
„Um 1860 hat mein Urgroßvater, Georg Sieberer, das so
genannte Tischlerhaus in Altenmarkt Nr. 52 gekauft und hier die Tischlerei
betrieben. Doch schon die Vorbesitzer namens Dorfer übten das Tischlerhandwerk
aus, wie aus alten Urkunden um 1780 ersichtlich ist. Seit über 130 Jahren werden
das Haus und die Tischlerei in der Familie weitergegeben.
Wie ich aus Erzählungen, aber auch aus der Erinnerung der
frühesten Kindheit weiß, gab es bis zum Anfang der 30-er Jahre dieses
Jahrhunderts in unserem Tischlereibetrieb keine Maschinen, alles wurde noch
händisch erzeugt. Es gab nur die Handsäge, den Handhobel in verschiedenen Größen
und mit verschiedenen Profilen, Hammer und Beißzange, Schraub- und Leimzwingen,
letztere aber nur aus Holz. Verleimt wurden alle Möbel mit Knochenleim, der in
einem Wasserbad auf dem Werkstättenofen erhitzt wurde. Erst nach 1930 wurden
eine Bandsäge und eine Hobelmaschine gekauft, die beide über eine Transmission
mit einem Benzinmotor betrieben wurden. Das war die erste maschinelle
Einrichtung unseres Tischlereibetriebes.
Die Bau- und Möbeltischlerei wurde nur über Auftrag
betrieben, das heißt, dass nie auf Lager erzeugt, sondern jedes Stück nach
Wunsch des Auftraggebers gemacht wurde. Die Tischler gingen auch zu den Bauern
auf die Stör. Der Großteil der Bauern hatte von Bäumen aus dem Eigenwald oder
aus dem Servitutsholz entweder im Sägewerk Bretter schneiden lassen oder sich
selbst mit der so genannten ,Gurgelsäge’, einem Zweimannsägewerk, Bretter
geschnitten und diese oft jahrelang im Wirtschaftsgebäude trocken gelagert.
Daraus erzeugte dann der Störtischler die gewünschten Möbel. Unter anderem
wurden auch auf dem Hof nach Bedarf und nach Abmaß des Verstorbenen Särge in
Störarbeit erzeugt. Hatte der Bauer kein Lager an trockenen Brettern, wurde der
Auftrag in der Tischlerwerkstätte erfüllt. Die Arbeitszeit spielte damals noch
keine große Rolle, es wurde daher besonders auf eine entsprechende Ausschmückung
der handerzeugten Möbel Wert gelegt. Auf den Truhen und Kästen wurden zahlreiche
Verzierungen angebraucht und auf Wunsch auch Geheimfächer eingebaut, um darinnen
Wertsachen und wichtige Urkunden verstecken zu können
1955 brannte das alte Tischlerhaus samt schönen alten
Möbeln und einer wertvollen Weihnachtskrippe ab.
Bis ca. 1920 war in Altenmarkt nur ein Tischler als
geprüfter Meister, also unser Betrieb, tätig. Anfang der 30-er Jahre, nach
Anschaffung der ersten Maschinen, hat sich die Störarbeit aufgehört und die
Möbel und Bautischlersachen wurden nur mehr in der Werkstätte erzeugt. Die
fertigen Erzeugnisse (Möbel, Fenster, Türen u. dgl.) wurden dann mit dem eigenen
Pferd den Käufern zugestellt. Unser Kundenkreis reichte bis St.Martin, Pöham,
Wargrain, Kleinarl, Flachau und Untertauern.
Die kurze Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges nach dem
Anschluß an Deutschland wurde bereits nach einem Jahr durch den Krieg
abgebrochen. Im Krieg, 1939 bis 1945, gab es zwar genügend Aufträge, doch Möbel
konnten nur über Bezugsscheine hergestellt werden. Jeder Nagel, jeder Beschlag,
jedes Stück Holz war bewirtschaftet, und die Bezugsscheine waren streng und
genau mit dem Landratsamt zu verrechnen.
Nach dem Kriegsende dauerte es einige Jahre bis wieder
halbwegs normale Verhältnisse eintraten. Etwa ab 1948 begann der Wiederaufbau,
das Handwerk nahm einen großen Aufschwung, was zur Neueröffnung einiger
Tischlereibetriebe führte. Der in den 60-er Jahren verstärkt einsetzende
Fremdenverkehr, der Altenmarkt zum Fremdenverkehrszentrum des Ennspongaues
machte, hat die Zahl der Tischlereibetriebe in Altenmarkt auf sieben erhöht.
Die letzten Jahrzehnte brachten eine gewaltige Verbesserung
des Maschinenbestandes, die Verwendung verschiedener neuer Materialien,
besonders die Verwendung von Faserplatten, dünnen Furnieren und von
Kunststoffen."
1974 übersiedelte die Tischlerei Sieberer in eine neu
erbaute Halle in die Zauchenseestraße.
Dort entstanden im laufe der Zeit viele tausende Fenster, Türen und
Möbelstücke.
Durch die steigende Anpassungsfähigkeit und
Individualität der heutigen Industrie, die mit ihren großen aufwendigen
Maschinen und durch Produktionen im Ausland viel günstigere Erzeugnisse
liefern kann, übersiedelten wir im Mai 2006 wieder zurück zum alten Standort
ins "Tischlerhaus" in der Unteren Marktstrasse 11. Eingestellt auf unser modernes
Zeitalter für den Handel und die Montage von fertigen Produkten aber doch
mit der Gewissheit in unserer Werkstätte selbstverständlich noch alles
selbst herstellen zu können.